Es muss ein unglaubliches Raunen durch die Menge gegangen sein, als der erste Elefant den Boden der heutigen österreichischen Hauptstadt betrat und sich langsam vom Kärntnertor den Graben entlang Richtung Hofburg seinen Weg bahnte. Bekannt ist noch heute jene Geschichte, die sich am östlichen Ende des Grabens, bevor es zur U-Bahn hinabgeht, ereignet haben soll. Ein Kind, so heißt es, sei hier vor die Füße des Elefanten gefallen. Dieser habe es mit seinem Rüssel behutsam aufgehoben und es seiner Mutter zurückgegeben. In Erinnerung an die Tat des sanften Riesen wurde ein Haus, das so genannte Elefantenhaus, nach ihm benannt. Eine Begebenheit, die allerdings mit ziemlicher Sicherheit ins Reich der Legenden zu verweisen ist. Der Zug des Elefanten durch Wien im Jahr 1552 ist allerdings tatsächlich historisch belegt. Begleitet wurde der ursprünglich aus Indien stammende Elefant, der über Portugal nach Spanien gelangt war, von seinem Pfleger im Triumphzug des späteren Kaisers Maximilian II. Dieser hatte seinen Cousin Philipp II. gebeten ihm das edle Tier zu überlassen. Ein Wunsch, dem der spanische König möglicherweise gar nicht so ungerne nachgekommen sein dürfte – einen Elefanten zu beherbergen stellt(e) einen nicht zu unterschätzenden Aufwand dar.
In Wien bezog der Elefant Quartier in Kaiserebersdorf. Doch der unglaubliche Stress durch die Reise, andere klimatische Bedingungen und die fremde Kost dürften dem Exoten nicht bekommen sein und er verstarb etwas über einem Jahr nach seiner Ankunft. Auf die Bitte Maximilians ihm einen zweiten Elefanten zu überlassen reagierte Philipp II. erneut positiv und so kam das charakterlich als etwas schwieriger beschriebene zweite Tier 1563 nach Wien. (Der Humanist Lodovico Guicciardini spricht beispielsweise gar davon, dass sich der Elefant in Antwerpen mit Wein volllaufen hatte lassen und wie ein Schwein alles fraß, was ihm vor den Rüssel kam.) Obwohl der Elefant wesentlicher länger lebte als sein Vorgänger, existieren dennoch weniger Quellen. Möglicherweise war geplant ihn bei der Hochzeit Karl II. von Innerösterreich 1571 auftreten zu lassen, wovon eine Skizze von Jacopo Strada zeugt. In schriftlichen Quellen findet dieses Ereignis laut Kuratorin Monika Kiegler-Griensteidl jedoch keinen Niederschlag – seine tatsächliche Anwesenheit dürfte von daher sehr unwahrscheinlich sein.
Eine Modeerscheinung
Die Leiterin der Abteilung Altes Buch zeichnete in der Ausstellung in der Nationalbibliothek „Des Kaisers schönste Tiere“ für das Kapitel zu Wiens Elefanten verantwortlich und liefert gemeinsam mit Kurator Patrick Poch, Leiter der Abteilung Grafik der Sammlung „Bildarchiv und Grafiksammlung“, auch eine Erklärung, warum das Tier damals überhaupt nach Wien gekommen sei: „Seit dem 16. Jahrhundert hielt sich ein großer Teil der europäischen Monarchen eigene Menagerien mit exotischen Tieren wie Tigern, Löwen oder Elefanten.“ Zu den prominenten Adeliegen, die einen Löwen ihr Eigen nennen konnten, zählte auch Prinz Eugen. Es wird erzählt, dass er ihn gerne bei Banketten zum Schrecken der eingeladenen Gäste auftauchen ließ. Das zahme Tier soll seinem Besitzer sehr zugetan gewesen sein. Nach dem Tod des Prinzen verliert sich jedoch jegliche Spur. Es bleibt zu hoffen, dass ihm das Schicksal der anderen im Schloss Belvedere gehaltenen Raubtiere erspart geblieben ist. Diese wurden nach dem Tod des Prinzen ins Hetztheater geschickt, wo sie gezwungen wurden aufeinander loszugehen. Für die über 3.000 Besucher in der größten Einrichtung dieser Art (in der heute nach dem Theater benannten Hetzgasse) stellten diese Ereignisse eine sprichwörtliche Hetz dar, die für die Tiere jedoch zumeist mit dem Tod endete. 1796 brannte das Hetztheater zur Gänze ab und wurde nicht wieder aufgebaut.
Von der Wandermenagerie in den Tiergarten
Wer wilde exotische Tiere sehen wollte, hatte zu jener Zeit aber auch die Möglichkeit eine der im 18. und 19. Jahrhundert verbreiteten Wandermenagerien zu besuchen. Hier wurden nicht nur exotische Tiere ausgestellt, sondern es gab auch kleine Vorführungen. Da die Haltungsbedingungen jedoch nicht optimal waren, verstarben viele der Tiere auch hier oft frühzeitig. Manch ein Tier konnte von der Wandermenagerie aus auch seinen Besitzer wechseln. So kaufte beispielsweise Kaiser Franz II./I. 1799 aus der Wandermenagerie des Italieners Antonio Alpi Großkatzen und andere Tiere für den Tiergarten Schönbrunn. Unter anderem erwarb er auch zwei Elefanten, von denen einer lange Jahre lebte und dessen Tod 1845 von der Bevölkerung sehr betrauert wurde. Ab 1778 war das Gelände am Sonntag für „anständig gekleidete Personen“ geöffnet worden. Die Menagerie war Mitte des 18. Jahrhunderts von Franz Stephan von Lothringen und seiner Gemahlin Maria Theresia begründet worden. Den Grundstock bildeten die Bestände aus der Menagerie aus dem ehemaligen Schloss Neugebäude und (mit Ausnahme der „reißenden“ Tiere) der Menagerie des Belvederes. Die Zahl der exotischen Tiere vergrößerte sich über die Jahre durch Ankäufe aber auch durch Expeditionen, wie beispielsweise jene die 1754 von Franz I. Stephan nach Westindien organisiert wurde.
Eine weitere Möglichkeit an (exotische) Tiere zu kommen, stellten Schenkungen dar. So überantwortete beispielsweise der englische König George III. Franz II./I. zwei Kängurus für Schönbrunn. Einen richtiggehenden Besucheransturm löste im 19. Jahrhundert Wiens erste Giraffe aus. Das Tier wurde Kaiser Franz vom Vizekönig von Ägypten zum Geschenk gemacht und traf 1828 in Wien ein. Die Giraffe, die wie jenes Exemplar in Paris, einen wahren Modetrend ausgelöst hatte, verstarb jedoch nach nur wenigen Monaten an einem Oberschenkelhalsbruch.
Tiere in der Hofburg
Exotische Tiere lebten damals unter Kaiser Franz II./I aber auch in Laxenburg und auf dem Hofburg-Areal. Hatte der Kaiser ursprünglich nur eine kleine Menge an Tieren in den Glashäusern auf dem Dach des ehemaligen Augustinerganges gehalten, wuchs der Tierbestand über die Jahre kontinuierlich an. Grund für das immer reger werdende Treiben, das sich bald schon auf Gebäude im Hofburggarten ausdehnte, war die aus Anlass der Heirat der Tochter Franz des II./I., Leopoldine von Österreich mit dem späteren Kaiser von Brasilien, 1817 gestartete Brasilienexpedition. Viele der heimgeschickten Tiere kamen in diese Privatmenagerien. Zu den Bewohnern zählten auch eine Reihe von Affen, von denen sich einer einmal in die Gemächer der Kaisergattin Caroline Auguste verirrt und dort mit einem Tintenglas um sich geworfen haben soll. Ebenfalls auf dem Hofburg-Gelände ein neues zu Hause fand der Affe „Schengens“, der von dem Hofmaler Mathias Schmutzer in Szene gesetzt wurde.
Viele dieser uns heute überlieferten Tierdarstellungen, die in der Ausstellung zu bewundern sind, wurden jedoch erst nach dem Ableben der Tiere angefertigt. Das Hof- Naturalienkabinett (der Vorgänger des Naturhistorischen Museums) beherbergte schon damals zahlreiche ausgestopfte und präparierte Tiere. Diese dienten Malern wie Leopold Brunner d. Ältere, Eduard Gurk, Joseph Zehner oder den Schmetterlings-Experten Bernhard von Schrötter und Josef Mann als Vorlagen. Kaiser Ferdinand I., der mit Tierdarstellungen wie diese bereits vom Direktor des Hof-Naturalienkabinetts, Carl von Schreibers, Unterricht erhalten hatte, konnte am Ende seines Lebens gar eine Sammlung von über 10.000 sein Eigen nennen. Die Sammlung wurde vor einigen Jahren wiederentdeckt und bildet aktuell den Mittelpunkt der Ausstellung, bevor sie Ende Juni wieder ins Depot wandern wird. In digitalisierter Form sind die Bilder jedoch noch länger zu bewundern.
Des Kaisers schönste Tiere
Bilder aus den habsburgischen Sammlungen
Noch bis 26. Juni 2022
Im Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek
Josefsplatz 1, 1010 Wien
www.oenb.at
Zur Ausstellung erschienen ist ein Katalog:
Des Kaisers schönste Tiere. Hrsg. V. Monika Kiegler-Griensteidl und Patrick Poch, Verlag Kremayr & Scheriau GmbH & Co KG. Wien: 2022. Seiten: 255. Euro: 29,90. ISBN: 987-3- 218-01291-1
Titelbild: Kleinfleck-Ginsterkatzen, Eduard Gurk, Aquarell, 1830 © Österreichische Nationalbibliothek
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